Wenn die Gedanken schweigen – die meditative Praxis des Yoga zu erkunden

Die meditative Praxis des Yoga erkunden

In vielen Yogastunden bildet Meditation den Abschluss, fast beiläufig – ein Moment der Stille nach der Praxis.

Doch was genau geschieht eigentlich in dieser Stille? Und was könnte geschehen, wenn wir Meditation nicht nur als Ausklang, sondern als zentrales Element der Yogapraxis verstehen?

Wenn wir uns der Meditation ganz widmen, begeben wir uns auf einen Weg – tiefer, radikaler, existenzieller.

„Wunschlos die Sinne, die Strömungen der Gedanken und Gefühle angehalten, das Herz erfüllt von tiefem Frieden – dies ist, so sagen uns die Seher, der allerhöchste Stand. Yoga wird er genannt. Wer ihn erreicht, ist vor aller Täuschung frei.“

So heißt es in der Katha Upanishad. Hier ist Meditation nicht Entspannung, sondern Befreiung von Täuschung (avidya). Das Herz wird ruhig, weil es nichts mehr will. Die Sinne schweigen, weil kein Außen mehr gesucht wird. Es bleibt: reines Gewahrsein. Dieser Zustand ist nicht erreichbar durch Leistung oder Zielorientierung, sondern entsteht, wenn wir ganz im Moment ankommen. Nicht erreichen wollen, sondern sehen, was ist. Und gerade darin liegt ihre transformierende Kraft der Meditation.

Eine Qualität des Seins

Meditation wird oft als Technik vermittelt: Setz dich hin, richte die Aufmerksamkeit auf den Atem, lass Gedanken ziehen. Diese Anleitung ist ein Anfang – aber kein Ende.

In der Yogaphilosophie ist Meditation (dhyana) kein Instrument (zur Selbstoptimierung oder Stress-Reduktion), sondern ein Zustand. Eine Qualität des Seins, in der das Ich-Bewusstsein sich auflöst und Gedanken zur Ruhe kommen. Das Yoga Sutra spricht von einem Prozess, der durch dharana (Konzentration auf ein Objekt) hindurch führt, über dhyana (Versenkung) in samadhi (Befreiung, Erkenntnis, Verschmelzung) mündet – nicht als lineare Abfolge, sondern als ineinanderfließende Bewusstseinszustände.

Diese Erfahrung lässt sich nicht erzwingen – sie entsteht. Durch Kontinuität, Hingabe und die Bereitschaft, den denkenden Geist loszulassen.

Meditation und Ethik

In einer Zeit, in der Achtsamkeit längst zum Lifestyle geworden ist und als Trend verkauft wird, ist die Berufung auf einen oft übersehener Aspekt meditativer Praxis umso wichtiger: ihre Verbindung zu Ethik.

Achtsamkeit kann zur Produktivität und Effizienz verhelfen, aber auch zu Einfühlvermögen und Ruhe. Sie ist eine Praxis die wirkt, aber uns keine Richtung vorgibt. Vielmehr verortet sie uns im hier und jetzt. Ohne ethische Ausrichtung kann Achtsamkeit sogar destruktiv wirken. So wird eine Scharfschützin eine effizientere Mörderin, oder ein Kindergärtner, ein herzlicherer Ansprechpartner für die ihm Anvertrauten, wenn beide sich in Achtsamkeit üben. Deshalb ist die Praxis in traditionellen Kontexten eingebettet in ein umfassendes, religiöses Lebenskonzept und Wertesystem: Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit, Mäßigung, Hingabe, um nur einige Aspekte zu nennen.

Die Verbindung von Praxis und Haltung ist entscheidend. Und sie beginnt mit der Frage: Wozu übe ich?

Ein Raum für Vertiefung

Für alle, die diese Fragen nicht nur denken, sondern auch verkörpern möchten, bieten wir ein vertiefendes Seminar zur Meditation an. Das Seminar richtet sich an erfahrene Yogapraktizierende, die die meditativen Aspekte des Yoga vertiefen und kontextualisieren möchten – jenseits von Techniken zur Entspannung oder Selbstoptimierung. Es ist eine Einladung, die meditativen Aspekte des Yoga fundiert kennenzulernen – traditionsübergreifend, philosophisch reflektiert und praxisnah.

Wir arbeiten mit den alten Texten, erforschen und üben verschiedene Meditationsformen und schaffen Raum für Austausch und individuelle Reflexion.

Namaste

Therese Heinisch

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